Ukraine-Rede von Utz Kowalewski

Als Angelegenheit von besonderer Bedeutung wurde am Donnerstag, 31. März, im Rat der Stadt Dortmund fat zwei Stunden über die Situation in der Ukraine debattiert. In Anwesenheit der ukrainischen Generalkonsulin Iryna Shum gaben die Vorsitzenden aller Fraktionen ihre Statements ab. 

Hier ist die Rede von Utz Kowalewski, dem Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE+ : 

Die gesamte Ratssitzung mit allen Reden ist zu finden unter

https://www.youtube.com/watch?v=Czkn_u2IJs4

Anrede,

„Glaubt nicht, ihr hättet Millionen Feinde. Euer einziger Feind heißt – Krieg“.
Erich Kästner.


Am 24. Februar haben Truppen der russischen Föderation die Grenze zur Ukraine überschritten. Seit dem herrscht wieder einmal offener Krieg in Europa. Die russische Föderation hat den Krieg begonnen – sie muss ihn schleunigst wieder beenden. Krieg ist ein Verbrechen. Immer !

Der größte Verlierer in jedem Krieg ist die betroffene Bevölkerung. Wie auch schon in den 90-er Jahren und im Jahr 2015ff ist Dortmund auch diesmal wieder bereit Menschen in Not aufzunehmen und ihnen in dieser schweren Zeit zu helfen. Daher gilt der Dank von DIE LINKE+ allen ehrenamtlichen wie hauptamtlichen Helfern, die die Unterbringung und Versorgung der Menschen ermöglichen.

Uns ist es wichtig im Sinne des Zitats von Erich Kästner eines festzuhalten: Nicht die Bevölkerungen in Russland und der Ukraine und auch nicht die Bevölkerungen des Westens und der Verbündeten Russlands befinden sich im Konflikt gegeneinander. Es sind die Regierungen und ihre finanzstarken Unterstützer die - in nationalem Wahn gefangen - mit den ihnen zur Verfügung stehenden staatlichen und privaten Machtmitteln die einfache Bevölkerung in den Konfliktländern leiden lassen.

Dies gilt zuallererst für die vom Krieg betroffene Bevölkerung in der Ukraine. Auch die Bevölkerungen in Russland und Westeuropa, die von Sanktionen und Gegensanktionen, aber auch von der Gier der Kriegsgewinnler und der Spekulanten betroffen sind, werden in Mitleidenschaft gezogen. Eine Versorgungskrise mit Grundnahrungsmitteln zeichnet sich angesichts der Bedeutung sowohl der Ukraine als auch Russlands für die Ernährung der Menschen in den Ländern des globalen Südens bereits ab. Und auch eine neue Weltwirtschaftskrise ist angesichts der gegenwärtigen Eskalationsspirale nicht mehr auszuschließen. Der absolute Worst Case - ein Atomkrieg mit der Vernichtung der gesamten Menschheit - ist seit der Cubakrise nicht mehr so real gewesen. Erstmals seit der Cubakrise gibt es wieder konkrete Drohungen zum Einsatz dieser schrecklichen Waffen.

Aus Sicht unserer Fraktion gibt der aktuelle Krieg Anlass die Bemühungen der kommunalen Friedenspolitik zu verstärken. Dortmund ist vor drei Jahren auf Antrag von DIE LINKE+ der ICAN Städtepartnerschaft gegen Atomwaffen beigetreten. Auch bei den Mayors for Peace, die sich auf Initiative der Stadt Hiroshima zusammen gefunden haben, ist Dortmund Mitglied. Auf dieser internationalen und interkommunalen Ebene sollten weitere Bemühungen folgen, um so einen kleinen Beitrag zu leisten deeskalierend auf Konflikte zu wirken und es für die jeweiligen Machthaber künftig weiter zu erschweren militärisch tätig zu werden, wenn der jeweilige kommunale Unterbau anderes fordert.

Daher ist es wichtig die Kontakte zwischen den Bevölkerungen in Ost und West nicht abreißen zu lassen und nicht den Hass zwischen den Völkern in die Köpfe und Herzen zu lassen. Hass erzeugt nur weiteres Elend – nur weiteren Tod. Auch in Russland gehen Menschen trotz aller Repressalien auf die Straße und fordern ein Ende des Krieges. Auch ihnen gilt unsere Solidarität.

In den lokalen Medien wurde die Frage aufgeworfen, ob angesichts des Krieges die Städtepartnerschaft mit Rostow am Don aufrechterhalten werden kann. Städtepartnerschaften sind Einrichtungen zur Völkerverständigung. Sie sollen den Dialog und das Verständnis untereinander fördern.

Uns als DIE LINKE+ ist es daher besonders wichtig, dass eine Mehrheit dieses Rates sich darauf verständigt hat, auch unter dem emotionalem Eindruck des Ukrainekrieges die Städtepartnerschaft mit Rostow am Don aufrechtzuerhalten, ähnlich wie wir auch während des Kosovokrieges die Städtepartnerschaft mit dem serbischen Novi Sad aufrechterhalten haben. Und hier ist Dortmund in guter Gesellschaft – auch Gera hat eine Städtepartnerschaft mit Rostow am Don und auch Gera wird diese Partnerschaft nicht aufkündigen. Damit befinden sich beide Städte im Einklang mit den Empfehlungen des deutschen Städtetages und des Gemeindebundes. Zuletzt hat auch der Rat der Gemeinden und Regionen Europas sich für die Beibehaltung der Städtepartnerschaften mit russischen Städten und Gemeinden ausgesprochen.

Auch die Menschen in Dortmund trifft keine Schuld am Krieg – ob sie nun eine deutsche, ukrainische, russische, syrische, US-amerikanische oder chinesische Staatsangehörigkeit oder Herkunft haben. Gerade in Zeiten der Krise sind wir alle Dortmunderinnen und Dortmunder. Und als Dortmunder stehen wir solidarisch zusammen.

Eine Konsequenz gleich von zwei Krisen muss es sein, die Importe von Kohle, Öl, Erdgas und Uran soweit es irgendwie geht zurückzufahren und regionale, dezentrale regenerative Erzeugungskapazitäten aufzubauen. Nicht nur die Ukrainekrise verlangt aus außenpolitischen Gründen nach mehr Unabhängigkeit von Importen. Auch die Klimakrise verlangt dies. Vor wenigen Tagen ging die Meldung um die Welt, dass sowohl am Südpol als auch am Nordpol Temperatursprünge von 50°C zu verzeichnen waren. Solche Vorboten katastrophaler Verläufe der Klimakrise können gar nicht ernst genug bewertet werden.

Insofern ist die Beschlussfassung dieses Rates, Klimaneutralität für Dortmund bereits im Jahr 2035 erreichen zu wollen, auch aus gleich mehrfacher Hinsicht richtig. Gleichwohl gilt natürlich, dass die Maßnahmen sozial ausgewogen umgesetzt werden müssen. Klimaschutz ist auch friedenspolitisch wichtig, denn die Klimakatastrophe wird zahlreiche Kriege um die Ressourcen auslösen und weitere Flüchtlingsbewegungen verursachen. Auch hier steht Dortmund in der Verantwortung seinen Beitrag zu leisten.

Die zentrale Handlungsmaxime deutscher Politik muss nach meiner Meinung die Wiederherstellung des Völkerrechts in den internationalen Beziehungen sein. Das Recht des Stärkeren ist abzulehnen, unabhängig davon, wer denn gerade der Stärkere ist. Gleichwohl sind Völkerrechtsbrüche ein Teil der Realität, mit der man umgehen muss.

Alle im Rat vertretenen Akteure sollten ihre jeweiligen Möglichkeiten nutzen, dem Völkerrecht wieder zu mehr Anerkennung zu verhelfen – im Kontakt mit ihren jeweiligen auf Bundesebene tätigen Parteien, als auch im Kontakt mit Dortmunds Partnerstädten in aller Welt, darunter auch Rostow am Don.

Mit dem Einmarsch in die Ukraine hat sich Russland ganz klar völkerrechtlich ins Unrecht gesetzt und deshalb ist es richtig, dass die vorliegende interfraktionelle Resolution Russland klar verurteilt, auffordert den Krieg zu beenden und die Ukraine ohne Wenn und Aber wieder zu verlassen. Lösungen für den Konflikt lassen sich aber nur diplomatisch finden – durch eine dauerhafte Konfrontation ist für niemanden etwas zu gewinnen. Sonst wird es am Ende in Ost und West unter den Bevölkerungen nur Verlierer geben.

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.