Nachrichten zum Thema Wohnen

Ratsbeschluss: Housing First muss nun umgesetzt werden

Den Fraktionen DIE LINKE+, CDU und Grünen ist im Rat am 11.05.2023 der Kragen geplatzt. Es geht um Wohnungen für Obdachlose - das so genannte Housing Frist Konzept. Man wolle keine weiteren Stellungnahmen der Verwaltung, in denen Probleme aufgelistet werden. Man wolle Lösungen. Und vor allem wolle man Wohnungen für die Betroffenen, fordern die drei Fraktionen, die zusammen eine Mehrheit im Rat haben und sich damit auch durchsetzen konnten. 2Wir sind beschlussfähig. Das Thema ist ja nun wirklich nicht neu", sagte Utz Kowalewski, Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE+.
Die SPD und FDP scheiterten mit ihren Anträgen, das Thema zum x-Mal in den Sozialausschuss zurückzuschieben. 

Hier ist der genaue Antragstext:

Tagesordnungspunkt
Housing First
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
die Fraktionen von Bündnis 90/Die Grünen, CDU und DIE LINKE+ stellen zum oben genannten Tagesordnungspunkt den nachfolgenden Antrag und bitten um dessen Beratung und Beschlussfassung in der Sitzung des Rates am 11. Mai 2023:

Der Rat der Stadt Dortmund hat die Verwaltung in seiner Sitzung am 23. März 2023 damit beauftragt (Drucksache Nr. 20482-23/2), das seit Jahren geforderte Konzept für die Umsetzung des Ansatzes Housing First in Dortmund vorzulegen (Ratsbeschluss vom 20.05.2021, Drucksache Nr. 19680-21-E1).

1. Der Rat der Stadt Dortmund nimmt die aktuelle Stellungnahme der Verwaltung (Drucksache Nr. 20482-23/2) und den darin vorgeschlagenen Weg, Housing First mit einer Ausschreibung in die Umsetzung zu bringen, zur Kenntnis. Des Weiteren nimmt der Rat zur Kenntnis, dass die Gewinnung und Bereitstellung geeigneten Wohnraums die zentrale Herausforderung bei der Umsetzung von Housing First in Dortmund ist. Dass dies möglich ist, zeigt auch die Stellungnahme der DSG in der vorletzten Sitzung des AKUSW, die auch dem ASAG zur Kenntnis gegeben wurde. Dort heißt es zum Tagesordnungspunkt Wohnraumvorhalteprogramm (Drucksache Nr.: 27281-23-E1/1), dass „grundsätzlich die Möglichkeit besteht, in Abstimmung mit und in Voraussetzung eines Betreuungskonzeptes durch das Sozialamt der Stadt Dortmund, einzelne Wohneinheiten dahingehend zu prüfen, diese als Housing-First-Wohnung zuzuordnen.“. Auch das Planungsamt weist auf die Möglichkeit hin, mit Hilfe des Baulückenkatasters perspektivisch in den Bau auch für künftige Wohnungen für Housing First zu kommen, ohne langwierige Bauplanverfahren abwarten zu müssen, so dass sich auch hier Möglichkeiten für eine Konzepterstellung bieten.

2. Der Rat stellt fest, dass die Verwaltung, anders als gefordert, nach wie vor kein lösungsorientiertes Gesamtkonzept für eine innovative und erfolgversprechende Ergänzung der Dortmund Wohnungslosenhilfe um den Ansatz Housing First vorgelegt hat.

3. Der Rat erwartet keine weiteren Stellungnahmen der Verwaltung, die Umsetzungsprobleme beschreiben, sondern die kurzfristige Vorlage des seit zwei Jahren geforderten Housing First-Konzepts, das Lösungswege erarbeitet, bewertet und den politischen Gremien vorschlägt und damit eine Grundlage schafft für den vom Rat beschlossenen Modellversuch. Dies gilt insbesondere für die Frage der Wohnungsakquise und dies vor allem mit Blick auf die Schaffung von Anreizen für den privaten Wohnungssektor, Wohnungen für Housing First zur Verfügung zu stellen. Der Ausschuss für Soziales, Arbeit und Gesundheit ist mindestens quartalsweise über den aktuellen Stand und weitere Schritte zu informieren.

4. Der Rat der Stadt Dortmund fordert die DOGEWO21 auf, aus ihrem mehr als 16.000 Wohnungen umfassenden Wohnungsbestand kurzfristig 3 Wohnungen für das vom Rat beauftragte Modellprojekt zur Erprobung des Housing First-Ansatzes in Dortmund zur Verfügung zu stellen. Und insbesondere auf eine Schufa Auskunft zu verzichten. Die Verwaltung wird mit Nachdruck aufgefordert die Nutzung der umfangreichen Belegungsrechte der Stadt Dortmund für Wohnungen der DOGEWO für die weiteren benötigten Wohnheiten zur Umsetzung der Beschlusslage (Drucksache Nr. 27281-23-E1) zu Housing First zu prüfen. Der Geschäftsführung und dem Aufsichtsrat von DOGEWO21 ist diese Aufforderung unmittelbar durch die Verwaltung mitzuteilen.

5. Der Rat der Stadt Dortmund beauftragt die Verwaltung, aus dem Wohnungsbestand des Wohnraumvorhalteprogramms ebenfalls 3 Wohnungen für das vom Rat beschlossene Modellprojekt spätestens zu Beginn des dritten Quartals 2023 zur Erprobung des Housing First-Ansatzes in Dortmund bereitzustellen. Der Ausschuss für Soziales, Arbeit und Gesundheit ist zu jeder Sitzung bis zur Umsetzung über den aktuellen Entwicklungsstand zu informieren.

 

Und das sagen Stadtverwaltung + DOGEWO21 + Stadtentwicklungsgesellschaft zum Wohnraumvorhalteprogramm:


Stellungnahme der Verwaltung
Tagesordnungspunkt
Wohnraumvorhalteprogramm - Stellungnahme der Verwaltung zur Anfrage der
Fraktion DIE LINKE+ in der Sitzung vom 08.03.2023 (DS Nr. 27281-23-E1)

Sehr geehrte Damen und Herren,
zu der oben genannten Anfrage nehme ich wie folgt Stellung:
zu 1)
Aus Sicht des Amtes für Wohnen stellen sich die Rahmenbedingungen für die Akquirierung
von Wohnraum sowohl für das Wohnraumvorhalteprogramm als auch für das Programm
Housing First auf Grund der sich seit Jahren immer weiter anspannenden
Wohnungsmarktsituation in Dortmund schwierig dar. Das geringe Angebot an bezahlbarem
Mietwohnraum spiegelt sich vor allem in der niedrigen strukturellen
Wohnungsleerstandsquote von rund 2 % und in den kontinuierlich steigenden Mieten wider.
Gleichzeitig besteht eine hohe Nachfrage nach preiswertem Wohnraum von Haushalten mit
geringem Einkommen. Die Anzahl der beim Amt für Wohnen vorgemerkten
wohnungsuchenden Haushalte, die zum Stichtag 31.12.2022 nicht mit einer geförderten
Wohnung versorgt werden konnte, lag bei rund 1.750 und hat sich im Vergleich zum Vorjahr
weiter erhöht. Insbesondere Ein-Personen- sowie große Familienhaushalte mit niedrigem
Einkommen bzw. im Transferleistungsbezug sind auf Unterstützung bei der Wohnungssuche
angewiesen.
Die Expertise und Erfahrungen im Bereich der Wohnraumakquise für Wohnungslose liegt
beim Sozialamt in Zusammenarbeit mit dem Fachbereich Liegenschaften. Mit Schreiben vom
23.06.2022 hat das Sozialdezernat den Mitgliedern des Ausschusses für Soziales, Arbeit und
Gesundheit ausführlich zum Sachstand der Umsetzung von Housing First in Dortmund
berichtet und die unterschiedlichen Maßnahmen sowie die bestehenden Schwierigkeiten bei
der Wohnraumakquise dargestellt (s. DS-Nr.: 23717-22-E3).
Eine Möglichkeit, die über die dort beschriebenen Ansätze – v. a. Gespräche mit der
Wohnungswirtschaft sowie mit privaten Vermietenden und Kooperationen mit Trägern –
hinausgeht, kann die Einbindung der Dortmunder Stadtentwicklungsgesellschaft darstellen
(s. Antwort zu Frage 3 – DSG).

zu 2)
Angesichts der Vielzahl an baulichen Aktivitäten in der Stadt Dortmund, neuen Wohnraum
entstehen zu lassen, kann nicht auf jedes einzelne, konkrete wohnbauliche Projekt
eingegangen werden. Daher erfolgt die Beantwortung Kriterien-geleitet. Grundsätzlich wären
für die Umsetzung eines "Housing first-Konzeptes" aus Sicht der Planungsverwaltung
Wohnungen sowohl im Bestand als auch im Neubau geeignet.
Beim Neubau könnte es sich um eine sog. Baulückenschließung oder auch ein komplett
neues Wohngebiet handeln. Mit Blick auf die Zielgruppe Wohnungsnotfälle ist es
naheliegend, dass primär der Geschosswohnungsbau (Mehrfamilienhäuser) und nicht
Einfamilienhäuser betrachtet werden sollten. Die Wohnungen müssen selbstverständlich
bezahlbar sein, so dass primär geförderte Wohnungen oder anderweitig preiswerte
Wohnungen relevant sind. Vorteilhaft ist es darüber hinaus, wenn die (Nah-) Versorgung mit
Lebensmitteln, Gesundheitsdienstleistungen oder auch sozialen Diensten u.a.m.
gewährleistet ist. Auch kurze Wege zum öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) wären
positiv zu bewerten.
Eine hohe Konzentration entsprechend ausgerichteter Wohnungen für Wohnungsnotfälle
könnte sich ggf. als stigmatisierend erweisen, daher wäre eine Streuung über ein
Wohngebiet anzustreben (dezentraler Ansatz). Insgesamt wird deutlich, dass geeignete
Wohnungen durchaus in weiten Teilen des Stadtgebietes in Frage kommen, solange die
dargestellten Kriterien erfüllt werden.

Die DSG nimmt wie folgt Stellung:
Die DSG hat zum derzeitigen Stand überwiegend keine frei vermieteten Wohneinheiten. Die
Objekte, die die DSG im Bestand hat, sind fast ausschließlich im Rahmen des
Wohnraumvorhalteprogrammes der Stadt Dortmund mit Geflüchteten oder Inhaber*innen
eines Wohnberechtigungsscheines belegt. Die Vermittlung erfolgt somit größtenteils durch
die Stadt Dortmund.
Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, unter Berücksichtigung der Lage der Objekte und der
förderrechtlichen Rahmenbedingungen, in Abstimmung mit und in Voraussetzung eines
Betreuungskonzeptes durch das Sozialamt der Stadt Dortmund, einzelne Wohneinheiten
dahingehend zu prüfen, diese als Housing-First-Wohnung zuzuordnen.

Die DOGEWO21 nimmt wie folgt Stellung:
DOGEW021 ist kontinuierlicher und verlässlicher Partner der Stadt Dortmund zur
Wohnraumversorgung und Stadtentwicklung.
Auch wir nehmen die mit den Preissteigerungen einhergehende Belastung für
viele Dortmunder Haushalte mit Besorgnis wahr.
Durch die hohe Inflationsrate, den extrem gestiegenen Energie- und Lebensmittelkosten und
den steigenden Mieten zeichnet sich eine deutliche Verschärfung der persönlichen Situation
vieler Bürgerinnen in Dortmund ab. Die Mehrkosten sind kaum noch zu tragen und die
Belastungsgrenze ist bei einem Großteil der Bürgerinnen erreicht.
Die hieraus resultierenden Folgen sind bei allen Akteuren, Organisationen und Ämtern
deutlich spürbar. Dem Wohnungsverlust vorzubeugen, nimmt damit eine immer wichtigere
Rolle ein, die ein entsprechend gemeinschaftliches Gegensteuern erfordert. Eine weitere
kooperative Zusammenarbeit aller Akteure ist mehr als je zuvor erforderlich.
Unsere Unterstützung als Kooperationspartner der Stadt Dortmund bei der Landesinitiative
„Endlich ein Zuhause“ zielt genau auf diese Herausforderung ab. Ziel dieser Kooperation ist
es, nach Wegen zu suchen, um Wohnungsverluste zu vermeiden und wohnungslose
Menschen einfacher und schneller mit Wohnraum zu versorgen.
Durch die derzeit angespannte Marktlage und das daraus resultierende äußerst niedrige
Leerstandsniveau (Leerstandsquote 0,6%) in unserem Wohnungsbestand bietet sich aktuell
leider nur ein sehr geringer bis kein Handlungsspielraum. In unserem Hause prüfen wir
weiterhin jeden Einzelfall und unterstützen selbstverständlich dort, wo möglich.
Stefan Szuggat, Stadtrat